Premierengeflüster #7

Seit 2023 ist Judith Lebiez als Operndirektorin am Mecklenburgischen Staatstheater engagiert. Mit der 2004 komponierten Kammeroper von Toshio Hosokawa bringt sie ein Stück Japan nach Schwerin und gibt ihr Schweriner Regiedebüt. Für sie ist die Inszenierung von Hanjo eine persönliche Erinnerung, möglichst wenig zu warten und stattdessen offen für das Hier und Jetzt zu bleiben.

 

Worum geht es in Hanjo?
Die junge Hanako hatte eine Liebesbegegnung mit Yoshio, der ihr versprochen hat, zu ihr zurückzukehren. Seit drei Jahren wartet sie auf ihn. Sie lebt bei der Künstlerin Jitsuko, die sich noch nie für eine Liebesbeziehung öffnen konnte. Jitsuko hat in Hanako eine Inspirationsquelle gefunden und fürchtet, dass Yoshio sie ihr nehmen könnte.

 

Eine spannende Dreieckskonstellation...
Das Ende des Stücks lässt sich auf unterschiedliche Weise deuten. Ich habe mich für eine optimistische Perspektive entschieden: Hanako gewinnt an Autonomie, und Jitsuko legt die Panzerung ab, in der sie sich bisher verschlossen gehalten hat.

 

Hanjo ist kein Mainstreamprogramm. Wie kamst du auf die Kammeroper von Toshio Hosokawa?
Ich mag Hosokawas subtile, meditative Musik sehr. Die Geschichte von Hanjo hat mich berührt. Zudem konnte ich mir gleich vorstellen, welche Solist:innen wir für die Rollen besetzen könnten. Bei der Auswahl von Stücken ist es mir wichtig, die Stärken unserer Ensemble-Mitglieder hervorzuheben.

© Philip Frowein

Was reizt dich an dem Stück?
Alle drei Figuren sind vielschichtig und haben eine zutiefst menschliche Dimension. Laut Libretto soll Hanako wahnsinnig sein. Doch ewig auf jemanden zu warten, der nicht erreichbar ist, und dabei die Person zu übersehen, die direkt vor uns steht, sind Erfahrungen, die viele von uns gemacht haben – ohne dafür wahnsinnig zu sein. Die Liebe kann uns temporär verrückt machen. Es gibt kaum eine mächtigere Kraft, und wenn sie unerfüllt bleibt, können wir echt durchdrehen. Vielleicht liegt genau darin der Grund, warum viele Menschen Angst vor der Liebe haben. So auch Jitsuko, die offen zugibt, dass sie die Vorstellung nicht ertragen kann, geliebt zu werden. Wer hat nicht schon einmal Angst davor gehabt, sich völlig der Liebe zu öffnen, und sich lieber verschlossen, anstatt sich verletzlich zu machen?

 

Was erwartet uns auf der Bühne, wie ist das Raumkonzept entstanden?
Bei der Raumgestaltung war es mir wichtig, den Ort und seine Besonderheiten optimal zu nutzen. Für mich eignet sich der Raum in der M*Halle hervorragend als Atelier einer Künstlerin. Meine Ausstatterin Petra Schnakenberg schlug vor, Jitsuko als Bildhauerin darzustellen – eine Idee, die mich sehr angesprochen hat. Daraufhin erinnerte ich mich daran, dass wir im Haus mit Mircea Caragea einen außergewöhnlich talentierten Bühnenplastiker haben. Ich war begeistert von der Möglichkeit, sein Können in unser Projekt einzubinden. So entstand die Idee, dass Jitsuko an einer Skulptur arbeitet, die für sie wie ein Gesamtkunstwerk ist und Hanako darstellt. Mircea hat die unfertige Skulptur in Absprache mit Petra erschaffen. Hanna Larissa Naujoks, die Jitsuko verkörpert, besuchte ihn währenddessen, um von ihm zu lernen, wie sie an der Skulptur weiterarbeiten kann. Diese Skulptur eröffnet auch spannende Möglichkeiten für die Beleuchtung. Da ich eine besondere Affinität zum Thema Licht habe, freue ich mich sehr, bei diesem Projekt mit dem herausragenden Lichtdesigner Christophe Forey zusammenzuarbeiten.

 

Zentrales Thema des Stückes ist: das Warten. Was berührt dich besonders, wenn du ans Warten denkst?
Für mich bedeutet Warten, dass man sich nach etwas anderem sehnt als dem, was man gerade erlebt. Man ist mit der Zukunft und der Vergangenheit beschäftigt und übersieht dabei die Gegenwart. Das finde ich schade. Ich nehme das Stück als eine persönliche Erinnerung, möglichst wenig zu warten und stattdessen offen für das Hier und Jetzt zu bleiben.

 

Das Interview führte Claudia Kottisch.

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